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Schon mal von Introjekten gehört? Nein? Dann lohnt es sich, diesen Artikel zu lesen, denn Introjekte sind ein faszinierendes Konzept in der Psychologie. Sie sind die inneren Stimmen, Regeln und Überzeugungen, die wir im Laufe unseres Lebens – oft in der Kindheit – von wichtigen Bezugspersonen übernehmen. Ob die Mahnung der Mutter, stets höflich zu sein, die kritische Stimme eines strengen Lehrers oder der spöttische Kommentar eines Klassenkameraden, der uns immer noch begleitet: Introjekte prägen unser Denken und Verhalten. Doch sind sie immer hilfreich? Und wann können sie schädlich oder sogar destruktiv sein?
Introjekte entstehen, wenn wir äußere Stimmen, Werte oder Verhaltensmuster verinnerlichen. Dabei handelt es sich nicht nur um bewusst erlernte Regeln, sondern oft um unbewusste Botschaften, die durch Wiederholung oder emotionale Intensität tief in uns verankert werden.
Ein Beispiel: Ein Kind, dessen Eltern oft sagen „Streng dich halt an“, könnte diesen Satz als innere Wahrheit übernehmen. Dieser Satz wird zu einem Introjekt, das das spätere Selbstbild und Verhalten des Kindes prägt – oft ein Leben lang. Ein Teenager, der wiederholt von Freunden gesagt bekommt „Du bist so langweilig“, könnte diese Aussage verinnerlichen. Als Erwachsener könnte er sich ständig bemühen, andere zu beeindrucken, aus Angst, erneut als langweilig wahrgenommen zu werden.
Ein Schüler, dem wiederholt gesagt wird „Du bist wirklich gut in Mathe“, kann diese positive Botschaft als Introjekt übernehmen. Dies könnte ihn motivieren, sich weiterhin mit Begeisterung und Selbstvertrauen mit Mathematik zu beschäftigen. Ein Kind hingegen, das häufig hört „Sei doch nicht so sensibel“, könnte diesen Satz verinnerlichen und später Schwierigkeiten haben, seine Gefühle auszudrücken, aus Angst, als schwach wahrgenommen zu werden.
Wie wir schon anhand dieser wenigen Beispiele leicht erkennen können, Introjekte sind wirkmächtig.
1. Orientierung und Stabilität: Introjekte können uns Orientierung geben, insbesondere in unübersichtlichen oder stressigen Situationen. Die Stimme, die sagt: „Du kannst das schaffen“, vermittelt Stärke und Resilienz.
2. Moralische Werte: Positive Introjekte können uns helfen, Werte wie Mitgefühl, Integrität und Gerechtigkeit zu entwickeln. Wenn uns früh beigebracht wird, anderen zu helfen, könnte dieses Introjekt unser Verhalten später altruistisch prägen.
3. Selbstdisziplin: Introjekte wie „Bleib dran und gib nicht auf“ können uns motivieren, unsere Ziele zu verfolgen, selbst wenn es schwerfällt.
4. Bewahrung von Bindung: Manche Introjekte dienen dazu, die emotionale Bindung zu wichtigen Menschen aufrechtzuerhalten, selbst wenn diese nicht mehr aktiv in unserem Leben sind.
Leider haben viele von uns deratige Introjekte häufig nur sehr mangelhaft ausgeprägt. Oftmals dominieren dysfunktionale, abwertende Introjekte.
1. Selbstkritik und Perfektionismus: Wenn Introjekte mit negativen Botschaften gefüllt sind – etwa „Wie dumm bist Du eigentlich?“ oder „Zeig bloß keine Schwäche“ – können sie zu übermäßiger Selbstkritik und Perfektionismus führen. Sie werden zur inneren Stimme, die uns antreibt, aber auch ausbrennt.
2. Einschränkende Glaubenssätze: Introjekte wie „Du bist nicht klug genug“ oder „Du darfst keine Fehler machen“, „Das kannst Du nicht“ können unser Potenzial blockieren und uns daran hindern, Neues auszuprobieren.
3. Fremdbestimmung: Wenn wir Introjekte übernehmen, die nicht zu uns passen, verlieren wir den Zugang zu unserem authentischen Selbst. Das Leben fühlt sich an wie ein endloser Versuch, die Erwartungen anderer zu erfüllen.
4. Unreflektiertes Handeln: Introjekte, die nicht hinterfragt werden, können dazu führen, dass wir unbewusst Muster wiederholen, die uns nicht guttun – sei es in Beziehungen, im Beruf oder im Umgang mit uns selbst.
Mareike ist 34 Jahre alt, arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen und fühlt sich seit Jahren festgefahren. Sie hat das Gefühl, nicht voranzukommen, weder beruflich noch privat. Trotz eines soliden Jobs und eines geregelten Alltags ist da viel innere Unruhe – das nagende Gefühl, dass sie „mehr aus ihrem Leben machen müsste“. Doch jedes Mal, wenn sie etwas Neues wagen will, hält sie etwas zurück. Sie weiß nicht genau, was es ist, aber es fühlt sich an wie eine unsichtbare Barriere.
Mareike wurde in einem sehr leistungsorientierten Haushalt groß. Ihre Eltern vermittelten ihr früh den Glaubenssatz: „Nur wenn man hart arbeitet, kann man es im Leben zu etwas bringen (…und dann bist Du hier auch akzeptiert).“ Diese Botschaft wurde in unzähligen Situationen wiederholt – ob in der Schule, beim Sport oder zu Hause, wo Mareike oft Aufgaben übernehmen musste, um die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen. Heute ist dieser Satz tief in ihrem Inneren verankert und begleitet sie wie ein unsichtbarer Schatten.
Ein weiteres Introjekt, das Mareike aus ihrer Kindheit übernommen hat, lautet: „Träume sind Schäume – Mach etwas Gescheites.“ Diesen Satz hat sie immer wieder gehört, wenn sie von ihren Wünschen erzählte, sei es der Traum, eine eigene kleine Bäckerei zu eröffnen oder ins Ausland zu gehen. Ihre Eltern hielten solche Ideen für unrealistisch und vermittelten Mareike, dass Sicherheit das Wichtigste im Leben sei.
1. Perfektionismus und Angst vor Fehlern: Mareike will alles „perfekt“ machen. Sie glaubt, dass jede Entscheidung und jede Handlung sie entweder „wertvoll“ oder „wertlos“ macht. Diese Denkweise lähmt sie. Der Gedanke, dass ein neuer Weg scheitern könnte, ist für sie unerträglich, weil sie das als persönliches Versagen empfindet.
2. Fremdbestimmtes Leben: Der Glaubenssatz, dass Träume gefährlich sind, hat dazu geführt, dass Mareike fast ausschließlich Entscheidungen trifft, die auf Sicherheit ausgerichtet sind. Statt ihrer Leidenschaft für kreative Projekte nachzugehen, hat sie einen Beruf gewählt, der stabil, aber wenig erfüllend ist. Jede Abweichung vom sicheren Weg fühlt sich für sie wie ein Verrat an den Erwartungen ihrer Eltern an.
3. Innere Zerrissenheit: Während Mareike rational versteht, dass sie neue Dinge ausprobieren könnte, um zufriedener zu werden, fühlt sich das emotional unmöglich an. Die Introjekte ihrer Eltern wirken wie eine innere Stimme, die ständig Zweifel und Bedenken streut: „Bist du sicher, dass du das schaffen kannst? Was, wenn du scheiterst?“
Introjekte lassen sich grundsätzlich ganz grob in positive, dysfunktionale und Täterintrojekte unterteilen. Während positive Introjekte unterstützend wirken, wie etwa „Du kannst alles schaffen, wenn du dich bemühst“, und dysfunktionale Introjekte häufig einschränken, etwa durch Botschaften wie „Du darfst keine Fehler machen“, gehen Täterintrojekte darüber hinaus. Täterintrojekte enthalten gewaltsame, destruktive Botschaften, die nicht nur negativ, sondern aktiv zerstörerisch sind. Sie entstehen häufig in traumatischen Beziehungen und stellen eine besondere Form von Introjekten dar, die tiefer greifende Auswirkungen auf das Selbstbild und die psychische Gesundheit haben.
Sie können das Potenzial einer Person begrenzen, führen jedoch nicht zwangsläufig zu Selbstabwertung. Täterintrojekte hingegen resultieren aus Erfahrungen von Missbrauch oder emotionaler Gewalt und tragen die Stimme des Täters weiter. Sie sind nicht nur kritisch oder negativ, sondern explizit destruktiv.
Täterintrojekte beinhalten häufig Botschaften wie „Du bist nichts wert“ oder „Du verdienst es, bestraft zu werden“. Diese gewaltsamen Botschaften fördern ein tief verankertes Gefühl von Schuld und Minderwertigkeit und können verhindern, dass Betroffene ihre traumatischen Erfahrungen hinterfragen oder heilen. Der Unterschied zu dysfunktionalen Introjekten liegt in ihrer zerstörerischen Intensität: Täterintrojekte tragen nicht nur die abwertenden Worte eines Täters, sondern auch dessen manipulative Kontrolle in die Psyche der Betroffenen hinein.
Es ist wichtig, Täterintrojekte klar von anderen Formen zu unterscheiden, da sie eine direkte Übertragung von Gewalt und Machtmissbrauch darstellen. Während dysfunktionale Introjekte oft aus sozialen oder familiären Erwartungen entstehen, sind Täterintrojekte ein Überbleibsel von traumatischen Erlebnissen. Sie blockieren die Heilung, indem sie Betroffene in einem psychischen Gefängnis halten, das von Schuldgefühlen und Selbstabwertung geprägt ist.
Die Arbeit mit Täterintrojekten erfordert besondere therapeutische Aufmerksamkeit. Ziel ist es, die Verbindung zwischen den Botschaften des Täters und dem inneren Erleben zu erkennen und zu lösen. Betroffene lernen, diese zerstörerischen Botschaften als fremd zu betrachten und durch selbststärkende, heilende Überzeugungen zu ersetzen. Täterintrojekte stellen somit eine besonders destruktive, aber auch behandelbare Form von Introjekten dar, die einen wichtigen Fokus in der Traumatherapie bilden.
1. Bewusstwerden: Der erste Schritt ist, unsere inneren Stimmen bewusst wahrzunehmen. Welche Sätze tauchen in Momenten von Stress oder Zweifel auf? Sind sie unterstützend oder eher belastend?
2. Reflexion: Frage dich: Woher stammt diese innere Stimme? Gehört sie wirklich zu mir, oder ist sie die Stimme einer Person aus meiner Vergangenheit? Passt sie zu dem Leben, das ich heute führen möchte?
3. Transformation: Schädliche Introjekte können umgeschrieben werden. Aus „Ich bin nie gut genug“ könnte beispielsweise „Ich gebe mein Bestes, und das ist genug“ werden. Affirmationen oder therapeutische Arbeit können hier hilfreich sein.
4. Dankbarkeit für positive Introjekte: Introjekte, die uns unterstützen, verdienen Anerkennung. Die Stimme, die uns motiviert oder uns an Werte erinnert, die wir schätzen, ist ein wertvoller Begleiter. Doch auch negative Introjekte haben oft in der Vergangenheit geholfen – nur tun sie das heute vielleicht nicht mehr.
5. Loslassen, was nicht mehr dient: Manche Introjekte sind Relikte einer Vergangenheit, die nicht mehr relevant ist. Es kann heilsam sein, sie bewusst loszulassen und durch neue, selbstbestimmte Überzeugungen zu ersetzen.