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Warum habe ich keine Freunde? Die Antwort: Vielleicht weil die Frage selbst bereits eine Trennlinie in unserem Denken zieht, die uns auf Abstand zu anderen hält. Manchmal ist es nicht die Welt da draußen, die uns ignoriert, sondern die innere Stimme, die flüstert: „Du bist nicht gut genug, niemand will mit dir Zeit verbringen.“ Diese Botschaft kann so tief verwurzelt sein, dass wir uns gar nicht mehr fragen, ob sie stimmt. Wir nehmen sie einfach als Tatsache hin, als unerschütterliche Wahrheit. Dabei ist sie häufig entstanden, als wir noch klein waren, als wir zum ersten Mal erlebt haben, wie schmerzhaft Ablehnung sein kann oder wie unerfüllbar bestimmte Erwartungen an uns wirkten.
In solchen Momenten lernen wir, uns zu verstecken. Wir ziehen uns zurück, entwickeln Schutzstrategien und tarnen uns vielleicht sogar mit einer unnahbaren Art, die von außen kühl oder arrogant wirken kann. Wer jedoch dahinterblickt, entdeckt oft eine verletzliche Seite, die befürchtet, nicht akzeptiert zu werden. Und so entsteht Schritt für Schritt ein unbewusster Kreislauf: Wir sehnen uns nach Nähe, zeigen uns aber nicht wirklich, haben Angst, uns zu öffnen und ehrlich zu sagen, was wir denken oder fühlen. Wir fürchten, dass uns ohnehin niemand versteht, und verhalten uns entsprechend misstrauisch oder abweisend.
Andere Menschen spüren dieses unsichtbare „Stopp“-Signal und halten von sich aus Abstand. Daraufhin fühlen wir uns bestätigt: „Siehst du, mich mag einfach niemand.“ Unser Glaube an die eigene Unbeliebtheit wächst weiter und lässt uns neue Bekanntschaften frühzeitig aufgeben, bevor sich überhaupt eine echte Verbindung aufbauen kann. Oft merken wir selbst gar nicht, wie wir im Gespräch nur oberflächliche Themen zulassen, über andere urteilen oder uns gar nicht erst die Zeit nehmen, zuzuhören und offen zu sein für Persönlichkeiten, die auf den ersten Blick vielleicht nicht perfekt zu uns passen.
Dabei leben wir in einer Welt, in der Menschen so unglaublich unterschiedlich sind, dass wir fast immer jemanden finden könnten, der auf eine seltsame Weise zu uns passt – wenn wir diesen Gedanken wirklich zulassen und uns trauen, ein wenig von unseren gewohnten Mustern abzurücken. Häufig stehen hinter der Einsamkeit auch Erfahrungen, die uns lehrten, nur auf Leistung oder äußere Anerkennung zu schauen. Wenn wir den Wert einer Beziehung vor allem daran messen, ob sie uns weiterbringt oder ob sie einem Idealbild entspricht, verlieren wir den Blick dafür, dass eine echte Freundschaft mehr ist als ein Tauschhandel.
Freundschaft beruht auf einer stillen Verabredung, einander auch dann zu begleiten, wenn es nicht leicht ist oder wenn es keine sofortigen Vorteile bringt. Manchmal blockieren wir uns auch selbst, weil wir Freundschaften als aufwändig oder anstrengend ansehen: Wir scheuen uns vor Verpflichtungen, fürchten das Drama möglicher Konflikte und ziehen deshalb eine stille Komfortzone vor. Auf lange Sicht fühlen wir uns jedoch genau dadurch ausgeschlossen und grämen uns darüber, keine engen Kontakte zu haben.
Hinzu kommt der Umstand, dass wir uns selbst oft sehr streng bewerten und glauben, wir müssten uns erst „verbessern“, bevor wir uns anderen zeigen dürfen. Doch das ist ein endloser Teufelskreis, denn es gibt immer etwas, das noch besser werden könnte, immer einen Aspekt, der uns unzulänglich erscheint. Indem wir uns selbst so kritisch sehen, legen wir quasi die Latte für jeden, der uns nah sein möchte, unerreichbar hoch, weil wir ja selbst nicht daran glauben, liebenswert zu sein, wie wir sind. Die Folge ist ein permanentes Gefühl der Distanz zu anderen und zu uns selbst.
Wenn wir uns dann fragen, warum wir keine Freunde haben, übersehen wir oft, dass wir uns selbst innerlich zurückhalten. Echte Freundschaft entsteht dort, wo man das Risiko eingeht, wirklich man selbst zu sein, Unperfektheiten zuzulassen und sich der Möglichkeit auszusetzen, dass nicht jeder damit umgehen kann. Interessanterweise finden sich gerade in dieser Verletzlichkeit die tiefsten Verbindungspunkte zwischen Menschen. Doch wer zu sehr darauf schaut, wie er wirkt, was er leisten kann oder wie er sich besonders begehrenswert präsentieren könnte, um Freundschaften zu „verdienen“, weicht genau dem Punkt aus, an dem echte Bindung entsteht.
Und so kommen wir immer wieder an diesen schmerzhaften Moment, in dem wir uns fragen, ob wir vielleicht zu anders, zu kompliziert oder einfach nicht interessant genug sind. Dabei ist es häufig nur ein Mangel an echter Begegnung mit uns selbst, der uns von anderen trennt. Wer sich selbst nicht mit all seinen Ecken und Kanten annimmt, hat Angst, dass andere diese Ecken und Kanten erst recht nicht akzeptieren. Man wartet also lieber mit ausgebreiteten Schutzschilden, bis jemand den perfekten Weg zu uns findet, ganz ohne uns zu verletzen. Genau dieses Warten aber isoliert uns noch mehr.
So entsteht ein Paradox: Wir wünschen uns Freunde, aber halten zugleich alle auf Distanz, um Enttäuschungen zu vermeiden. Diese Dynamik treibt ein einsames Spiel in uns: Sie verstärkt das Gefühl der Abgeschnittenheit und frustriert uns zusätzlich, weil wir uns sagen, dass es doch nicht so schwierig sein kann, Menschen kennenzulernen. Wir werfen dem Leben vor, uns ungerecht behandelt zu haben, merken aber nicht, dass wir uns unbewusst selbst in eine Art Gefängnis setzen.
„Warum habe ich keine Freunde?“ ist dann nicht mehr nur eine Frage, sondern eine Anklage an die Welt oder an das eigene Schicksal, dabei liegt der Schlüssel nicht selten in unseren eigenen Händen. Es kommt also oft weniger darauf an, möglichst schnell einen Haufen Leute um sich zu scharen oder an den perfekten Situationen teilzunehmen, sondern darauf, das eigene innere Gefüge zu durchschauen: Wo bin ich selbst hart zu mir, wo erwarte ich von anderen, dass sie mich ohne Vorbehalt akzeptieren, während ich mich selbst kaum akzeptieren kann? Wo gebe ich anderen eine echte Chance, mich kennenzulernen, und wo laufe ich schon im Vorfeld davon, aus Angst, zu kurz zu kommen oder nicht gut genug zu sein?
Diese unsichtbaren Mauern zu erkennen und ganz allmählich einzureißen, kann der erste Schritt in Richtung echter Freundschaft sein. Denn wer lernt, sich selbst nicht länger zu verurteilen, dem fällt es leichter, anderen offen zu begegnen. Und wer anderen offen begegnet, wird früher oder später feststellen, dass Freundschaften nicht nur ein Mythos sind, der anderen vorbehalten ist, sondern etwas, das in jedem Moment entstehen kann, wenn wir uns dafür bereit machen.