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Werde der, der du nicht bist. Dieser Satz klingt im ersten Moment wie ein Widerspruch, denn so oft haben wir das Motto gehört, man solle doch der oder die werden, die man im Innersten bereits ist. Vielleicht kennst du diesen Rat aus Ratgebern oder von motivierenden Posts, wo er als vermeintlich perfekter Weg zum Glück verkauft wird. Doch wenn wir einmal genau hinschauen, stellt sich die Frage, wie sehr uns dieses „Werde der, der du schon bist“ wirklich hilft. Häufig bleibt es an der Oberfläche, weil wir im Grunde nur das verstärken, was wir ohnehin schon an uns kennen und mögen, während wir andere Seiten ignorieren oder als nicht passend abtun. Dabei gibt es unendlich viele Facetten und Talente, die wir in unserem bisherigen Leben vielleicht nie richtig ausgelebt haben, weil wir dachten, sie würden nicht zu uns passen, oder weil wir Angst hatten, in ihnen zu scheitern. Angst ist dabei ein ganz wichtiger Schlüssel. Wir neigen häufig dazu, sie als reinen Warnruf zu interpretieren, nach dem Motto: Wo ich Angst habe, sollte ich mich lieber zurückziehen, damit ich mich nicht blamiere oder scheitere. Was passiert aber, wenn wir unsere Angst einmal als Wegweiser betrachten, wenn wir sagen, genau dort, wo es mich am meisten Überwindung kostet, könnte eine Chance liegen, einen ganz neuen Teil von mir zu entdecken. Vielleicht hast du schon erlebt, dass du etwas gern ausprobieren würdest, beispielsweise ein Instrument zu erlernen oder eine Sportart zu testen, dich jedoch ständig bremst, weil du dir sagst: Dafür bin ich zu alt, dafür fehlt mir das Talent, oder das passt einfach nicht zu meinem Selbstbild.
Wenn wir ehrlich sind, geben wir uns oft zu schnell mit unserer bisherigen Identität zufrieden, statt zu schauen, welche Möglichkeiten in uns darauf warten, freigelegt zu werden. Manchmal hat uns die Familie oder die Schule eingeredet, dass wir nicht kreativ seien. Möglicherweise haben wir selbst einmal eine schlechte Erfahrung gemacht und daraus geschlossen, dass ein gewisser Bereich eben nicht für uns bestimmt ist. Wir haben uns auf eine Rolle festgelegt: die Vernünftige, der Schüchterne, die Planerin, der Analytiker. Und wenn wir dann doch in einem stillen Moment spüren, dass da noch mehr möglich wäre, packt uns die Angst, wir könnten scheitern oder würden uns zum Narren machen. Genau das hält uns oft davon ab, einen wichtigen Schritt zu wagen, der uns zeigen könnte, dass wir sehr wohl das Zeug haben, uns jenseits unserer gewohnten Komfortzone zu entfalten. Genau hier kommt die Idee ins Spiel, nicht einfach nur der zu werden, der man vermeintlich ohnehin schon ist, sondern auch einen Blick darauf zu werfen, wer man noch nicht ist. Es geht darum, die persönlichen Grenzen bewusst in Frage zu stellen und nach den Elementen Ausschau zu halten, die man bislang vermieden hat. Häufig regen moderne Ratgeber dazu an, sich die ganz großen Ziele zu setzen: Als Pianist oder Pianistin auf den großen Bühnen dieser Welt zu stehen, ein berühmter Schriftsteller oder eine weltweit gefragte Unternehmerin zu werden. Natürlich ist es schön, große Träume zu haben, doch wir dürfen nicht vergessen, dass der Weg dorthin oft lang ist und uns zwischendurch die Energie oder die Geduld verlässt, wenn wir merken, dass all die Euphorie alleine nicht reicht. Wer mit 45 noch nie Klavier gespielt hat und es nun wagt, kann eine wunderbare neue Leidenschaft finden, die den Alltag immens bereichert, ohne dass es gleich einer internationalen Karriere bedarf. Der Gedanke „Werde der, der du nicht bist“ bedeutet eben nicht, alles anders machen oder sein ganzes Leben umkrempeln zu müssen, sondern vielmehr zu erkennen, dass wir vielschichtiger sind, als wir bisher dachten.
Wir dürfen uns ruhig zutrauen, in kleinem Rahmen Risiken einzugehen und auszutesten, ob etwas, das uns früher fremd oder unheimlich vorkam, vielleicht ganz neue Freude in unser Leben bringt. Wir begrenzen uns ja meist selbst, und genau daran knüpft auch ein Denker wie Jean-Paul Sartre an, der davon sprach, dass wir unser Wesen erst durch unser Handeln formen. Man kann also durchaus sagen, dass wir uns jeden Tag neu erfinden könnten, anstatt uns ständig einzureden, wir seien ein für alle Mal festgelegt. Aber warum ist das in der Praxis so schwer umzusetzen. Da kommen unsere Ängste wieder ins Spiel. Ein Beispiel: Stell dir vor, du glaubst, kein Talent fürs Zeichnen zu haben, weil dir einmal jemand gesagt hat, du würdest wie ein Kind mit Wachsmalstiften kritzeln. Seitdem hast du einen Bogen um jede Form von Kunst gemacht, obwohl dich Bilder oder Illustrationen heimlich faszinieren. Du wirst vielleicht nie der nächste Picasso, aber wer sagt denn, dass es darum gehen muss, einen Weltrekord aufzustellen oder berühmt zu werden. Stattdessen könntest du entdecken, dass du eine ganz andere Seite hast, wenn du mit Farben und Formen experimentierst. Vielleicht merkst du plötzlich, wie sehr es dich erfüllt und beruhigt, wie du in einen Flow gerätst und deine Fantasie zum Leben erweckst. Oder nimm eine Person, die sich immer für unsportlich hielt, weil sie in der Schule keinen Ball fangen konnte. Während sie ihr Leben lang Witze darüber machte, wie untalentiert sie beim Sport sei, hat sie nie versucht, etwas Neues zu wagen. Dann stolpert sie vielleicht mit 40 über einen Kletterkurs und merkt, dass ihr genau diese Herausforderung Spaß macht, weil Klettern weniger mit Ballsport zu tun hat und sie zum ersten Mal ein echtes Erfolgserlebnis beim Sport hat, das sie vorher für ausgeschlossen hielt.
All solche Momente sind Schritte in eine Richtung, von der wir vorher gar nicht wussten, dass sie zu uns passt. Genau darin liegt die Kraft von „Werde der, der du nicht bist.“ Wenn wir mit diesem Gedanken spielen, lassen wir zu, dass wir uns von alten Überzeugungen lösen und uns selbst überraschen. Dabei müssen wir uns keineswegs in Größenwahn verlieren, sondern können uns realistische, interessante und vor allem persönlich bedeutsame Ziele setzen. Und manchmal führt das eben doch zu einem größeren Wandel, wenn wir plötzlich merken, da steckt mehr in uns, als wir dachten. Das heißt nicht, dass wir unsere eigentlichen Eigenschaften oder bisherigen Stärken wegwerfen müssten. Wenn du beispielsweise ein zuverlässiger, organisierter Mensch bist, kannst du diese Fähigkeit weiterhin nutzen. Doch wenn du gleichzeitig spürst, dass du bisher kaum Raum für spontane Aktionen oder kreative Ausbrüche in deinem Leben gelassen hast, kannst du dich fragen, was dich daran hindert, das zu ändern. Hast du Angst, dein Umfeld könnte überrascht reagieren. Oder befürchtest du, zu versagen und damit das Bild zu zerstören, das du und andere von dir haben. Fast immer steht dahinter die Furcht, sich selbst bloßzustellen, wenn man einen neuen Weg einschlägt. Doch genau hier lässt sich ansetzen, indem man erkennt, dass das eigentliche Scheitern vielleicht gar nicht so dramatisch ist.
Manche Dinge klappen nicht beim ersten Versuch, aber wir gewinnen dabei die Erfahrung, es wenigstens probiert zu haben und daraus zu lernen. Auf diese Weise entwickeln wir uns Schritt für Schritt zu einer umfassenderen Persönlichkeit, in der wir nicht mehr so leicht auf ein Etikett festzunageln sind. Dass es sich lohnt, diesen Mut aufzubringen, zeigen unzählige Beispiele von Menschen, die das Leben gerade dann als besonders lebendig empfinden, wenn sie sich auf Neuland begeben. Und auch wenn wir nicht jeden unserer Träume in die Realität umsetzen können, bleibt die Erkenntnis, dass wir mehr Optionen im Gepäck haben, als wir uns eingestehen wollten. Dabei ist es manchmal hilfreich, sich vorzustellen, wie wir in zehn Jahren zurückblicken und uns fragen, ob wir lieber den vertrauten Trott beibehalten oder ein wenig Risiko in Kauf genommen hätten, um Dinge von einer ganz neuen Seite zu entdecken. Oft bedauern wir nicht das, was wir getan haben, sondern das, was wir uns nicht getraut haben. Wer also vor der Wahl steht, der zu sein, der er immer war, oder sich eine Facette zu erschließen, die er vielleicht noch nie ausprobiert hat, kann sich fragen, ob er später bereuen würde, es nicht wenigstens versucht zu haben. Das ist die Essenz hinter dem scheinbar widersprüchlichen Aufruf, „der zu werden, der man nicht ist.“ Es ermutigt uns, alte Glaubenssätze zu hinterfragen und neue Wege zu beschreiten, auch wenn sie uns anfangs ungewohnt, ja fast abwegig erscheinen. Manchmal hilft es schon, nur einen winzigen Schritt in eine Richtung zu setzen, die man bisher für unmöglich hielt. Daraus entsteht ein kleines Abenteuer, das uns zeigt, dass wir enorm wandlungsfähige Wesen sind und dass unser wahres Potenzial sich erst dann zeigt, wenn wir den Mut haben, auch einmal die Pfade zu beschreiten, die abseits unserer bisherigen Identität liegen. Werde der, der du nicht bist, und du wirst die Vielfalt in dir entdecken, von der du nie dachtest, dass sie in dir schlummern könnte. Genau das macht das Leben spannend, und genau das lässt uns wachsen.